Natalia Gorbatyuk Archiv
Natalia Gorbatyuk wurde in Odessa geboren. Lyrikerin und Übersetzerin. Seit 1995 lebt sie und arbeitet in Potsdam. Autorin von zwei Gedichtbänden "Von Montag bis Freitag" (1999) und "Schlaflosigkeit"(2002), Begründerin der „Literarisch-künstlerischen Werkstatt „Potsdam“, Mitglied des „Verbandes der russischsprachigen Schriftsteller in Deutschland e.V.“, Herausgeberin und Redakteurin der deutsch-russischen literarischen Anthologien in der Reihe „Brandenburgisches Mosaik»: "Lichtschatten", "Konturen", "Silhouetten", "Horizonte" und "Kontraste".
Sie ist Kulturbeauftragte der Jüdischen Gemeinde Potsdam e.V. und Chefredakteurin der literarisch-künstlerischen zweisprachigen Internet-Zeitschrift „LiK“.
OFT WÜNSCHE ICH MIR, SCHÖN ZU SEIN...
Oft wünsche ich mir, schön zu sein
für einen Monat, einen Tag,
für Augenblicke, dass mein Haar,
mein roggenfarbner Mähnenschein
mich in das Reich der Schönheit schwingt,
wo meine Seele und mein Leib
in Harmonie vereinigt sind,
und wünsche mir, dass es so bleibt.
Doch, wenn ich all die Schönen seh´,
in ihrer eitlen Sicherheit,
weiß ich, dass ich am Rande steh´,
und keine Mühe lohnt die Zeit.
Was anderen verboten ist,
ist für die Schönen kein Tabu.
Ich löse das Geheimnis nicht,
das auf der Schönheit liegt. Und du?
Mitunter frage ich mich bang,
woher nur deine Kraft rührt, mich,
die unvollkommen ist, und noch wie lang
zu lieben. Was bin ich für dich!
DIE ERINNERUNG
Für meinen Vater Boris Weinbaum
Im Zug nach Moskau trank ich heißen Tee.
„Korowka-Bonbons“ haben ihn gesüßt.
Mein Vater saß bei mir. Silvesterschnee
hat uns am Kiew-Bahnhof sanft begrüßt.
Die Stadt umbrodelte mich wie ein Strudel.
Ich schwamm durch eine unbekannte Welt
Die Metro roch nach Zeitungen und Kuchen,
und ich aß Waffeln mit Vanille-Eis.
Ich war danach in mancher großen Stadt…
Doch immer wieder sinkt mein Moskwa-Schnee
in meine Verse und auf jedes Blatt
der alten Schreibmaschine, und ich geh
noch einmal zum Sretenskiy Boulevard.
Das Zimmer des Hotels ist winterhell
wie jeder meiner Verse damals war –
sie schwanden wie Signale viel zu schnell.
Nach Moskau führt mich stets Erinnerung
An meinen Vater. Er starb viel zu jung.
UNSER BUCH
Aufgeschlagen liegt das weise Buch,
In dem wir nicht die letzten Helden sind.
Jedoch für einen Zeitabschnitt gewinnt –
Als hätte das Sujet nach uns gesucht –
Dein Schicksal, das an meins gebunden ist,
das Buch für sich und in ihm jenen Raum,
Dass es erzählen kann von Tag und Traum,
Von Hast, Berührung, Zärtlichkeit und Zwist.
Doch niemand kann das Buch zuende lesen,
Auch wir nicht, nur in ihm lebendig bleiben,
Für jene, die uns einmal folgen werden
Und dann ihr eigenes Kapitel schreiben.
ENDLOSER WEG
Der Schicksalsweg, den wir gegangen sind,
Hat unserem Gedächtnis Kraft gegeben.
Das Angstgeschrei der Kinder aus dem Nil
Gehört wie das Gebrüll zu unserm Leben,
Als braune Horden vor dem Reichstag standen,
Und wie die kahlen Köpfe, die sich heute
Erneut zusammenrotten und als Meute
Versuchen alte Angst uns einzujagen.
Es ist der Weg, den uns schon Moses wies;
Wir gehen durch Wüsten, Schmerzen, Judenhass,
Und kein Jahrhundert, das uns Ruhe lies.
Die Seelen wurden uns im Leibe kalt.
Und wieder hoffen wir, dass offne Türen
Uns retten und zur Himmelsmanna führen.
ANTI-DIÄT SONETT
„Ich singe die alten Hymnen!“
A.S. Puschkin
Mein Appetit ist ständig auf der Suche.
Er köchelt unaufhörlich in mir hoch,
winkt mir mit der Glasur auf meinem Kuchen
und neckt mich mit den weißen Champignons.
Das Spiegelei seh ich im Tiegel zittern.
Im Kochtopf plätschern ein paar Kolben Mais.
Die Hähnchenkeulen kann ich weithin wittern.
Ich träume, dass ich in ein Würstchen beiß,
und ein Glas Bier an meine Lippen hebe.
Ich denk an ein paar frische Schinkenbrötchen,
die würzigen Baklava, Schaschlykstäbe…
und gebe meinem Appetit die Pfötchen.
Und sollte ich demnächst zwei Zentner wiegen –
Sing ich doch Hymnen auf die Kalorien.
DIE WINTERGEDICHTE…
Die Schneekönigin
Sie nähert sich erneut aus blauer Ferne
und wirft auf Potsdams alte Dächer
Eiskristalle,
die zersplittern
wie gefrorene Tränen.
Aus ihrer Schleppe
springen weiße Schleier
über Pflastersteine und Asphalt
und schlagen gegen Häuser,
deren rote Wände zitternd
sich nach Holland wünschen.
Die Kufen ihres Schlittens
drücken Fröste in die Erde,
als wolle sie die Stadt, die Seen
und die Wälder für immer
in den Käfig ihres Winterreiches sperren.
Sie streift den
regenbogenfarbnen Schal
unfertig von den Nadeln
in den kalten Schoß der Hoffnung.
Doch –
wie von alters her
berichtet wird im Märchen –
endet ihre Macht,
sobald sie einem Menschenherzen,
das gütig ist und liebt,
die Wärme nimmt.
SEITEN DES WINTERS
Im Schnee draußen knirschen Schritte,
Irgendwer kommt oder geht.
Mein Herz beginnt wieder zu zittern,
Wie immer, wenn Hoffnung aufsteht.
Die Träume vom Winter erfrieren
In seiner Wirklichkeit,
Wie Menschen Vertrauen verlieren
Zueinander und in die Zeit.
Doch irgendwann kehren die Schwalben,
Die Zugvögel, wieder zurück
Und bauen unter wärmenden Balken
Die Nester und bringen uns Glück.
So ist es seit Menschen gedenken:
Auch frostige Tage vergehn,
Verschwinden im Abrisskalender
Des Lebens wie ungeschehn.
AUS DEM SONETTESKRANZ
„Vorfrühling“
Das fünfzehnte Sonett
Kennst du die Zeit, von der ich heute träume,
die duftenden, verführerischen Tage,
an denen ich in den noch nackten Bäumen
schon reife Äpfel sehe und mir sage:
Was stört mich Ruß und Straßenbrei,
Tauwasserbrühe, die von meinem Dache
aufs Fenster fließt? Es geht etwas vorbei!
Am Rande des Kalenderblatts hält Wache
der ersten Frühlingsbote, eine Krähe.
Ich hör sie lachen über Winters Tricks,
der immer noch pastellgefärbte Nähe
mit seinem schmutzig-weißen Einerlei
beschatten will. Jedoch ein Pinselstrich
des März macht mir die Seele leicht und frei.
INSPIRATION
An V. Goldmann
Ein Morgen im April geht durch den Tau
Und schneidet sich aus ihm ein Passepartout,
Das er für einen Bilderrahmen braucht,
Den ihm der Wind in einem Fenster sucht,
Indem er die Gardine sacht berührt.
Dann aber weicht er, während auf der Scheibe-
Wenn der April den feinen Pinsel führt-
Auf unfassbar geheimnisvolle Weise
Das Abbild einer schönen Frau entsteht,
Mit hellem Stirnhaar, hohem Lippenschwung
Und Augen, über die ein Schatten geht,
Obwohl der Tag noch schuldlos ist und jung,
Worauf der Morgen Farben neu vermischt
Und alle Unruh aus dem Antlitz lischt,
Dass sich ein Lächeln in den Zügen zeigt.
Und als die Sonne aus dem Frühdunst steigt,
Sieht sie allein das sehnende Gesicht-
Ein Meisterwerk, das dem April gelang
In seinem schöpferischen Überschwang –
Das Augenblicke später nicht mehr ist.
ICH LEBE...
als ob ich den Entwurf dafür selbst schreibe,
als ob es eine Kupplerin noch gäbe,
die fähig wär, wenn ich sie darum bäte,
Vergangenes mit dem Heute zu veseilen,
wann immer ich es will, den Tag zu stoppen,
das Schicksals- und Zeitgesetz durchbrechend
die Glut von Gestern heute wiederholen
und nur noch in der Gegenwart zu leben.
Wenn, wäre, trotz, als ob, sobald und wieder;
Vokabular Mephistos und des Faust.
Wo schlagen meine Fantasien sich nieder?
In blutigen Entwürfen, das mir graust.
AN DEN REGEN
Komm, der du niemandem gehörst wie ich.
Komm, meine Verse warten schon auf dich.
Wir brauchen triviale Dinge nicht,
wenn wir einander nah sind im Gedicht.
Wie kurz die Dämmerung auch bemessen,
die Zeit reicht aus, dir Verse vorzulesen.
Ich höre dich an die Balkontür klopfen,
ich sehe deine hellen flinken Tropfen –
sie spüln die Sommerhitze von den Scheiben
und über leere Bürgersteige treiben
sie Staubkügelchen. Dann schlüpfst du durch die Tür
und den Gardinenwirbel bis zu mir.
„Ich bin gekommen“, flüsterst du.
„Lies mir Gedichte vor, ich hör dir zu.
Und zögre nicht, die Dämmerungen sind
schon kurz genug für uns. So wie der Wind
gehörn wir keinem, und wir brauchen nichts
so sehr wie ein beflügelndes Gedicht.“
HERBSTWALZER
Der Ahorn hat die Blätter hingeworfen
Zu einem Teppich aus Velours,
Verneigt sich vor des herbstes Zorn
Und schmückt ihm mit seinen Farben und Frisur.
Oktoberwind spielt auf den Pappelzweigen
B – moll und nach der Melodie
Treibt er im Walzertakt den Blätterreigen
Fort von der Sommerphantasie.
Die Bäume tragen gelbe, rote Kleider -
Der Herbst entscheidet ihre Wahl -
Wir lieben leidenschaftlich, flüstern, leider,
Als wäre es das letzte Mal.
Auf bernsteingelbe Pfützen tropft der regen
Melancholie im Cello-Ton.
Die jungen Weiden sieht man sich bewegen
Als kennen sie den Gang des Jahres schon.
Allein die Tannen, Fichten und die Kiefern
Beteiligen daran nicht,
Denn sie sind immergrün geschmückt jahrüber
Und folgen einer andern Pflicht.
AM MEER
Novemberwirr Odessa und das Meer –
von aufgewühltem Sand das Wasser schwer –
versucht es mit bedrohlichen Grimassen
dem Wind zu höhnen und nach uns zu fassen.
Die Wolken haben ein Stück Himmel frei
und ziehn wie Mannequins an uns vorbei.
Die Äste peitschen durch gefrorne Luft.
Erstarrt ist jeder Hauch vom Sommerduft.
Die Sonne, eine blässliche Laterne,
verschwindet wie ein Segel in der Ferne.
Auf der berühmten Treppe häuft sich Staub,
und stufenabwärts treibt verbrauchtes Laub.
ALTWEIBERSOMMER
Septembers Ankunft ist nicht zu vermeiden,
selbst wenn ich haste oder stehen bleibe,
vorübergehe an der Spiegelscheibe…
Septembers Ankunft ist nicht zu vermeiden.
Ich kann mich ärger, dumme Streiche machen,
vergilbte Blätter von den Beeten harken…
Septembers Ankunft ist nicht zu vermeiden.
Auch wenn er raschelt unter meinen Füßen
muss er doch nicht für meine Schwermut büßen.
HEIMWEH
Bin ich des Schicksals Hausherr oder Gast?
Weiß ich, woher ich komme, wer ich bin?
Erinnerung trag ich wie eine Last
mit mir und frage mich: Wohin, wohin?
Ich denke an verlorne Zärtlichkeit
aus Kinderjahren, als ich unterm Schnee
nach Blumen grub. Nun ist Geborgenheit
unwiederholbar und tut weh, tut weh.
Wo sind die Spuren, die ich hinterließ,
die Freunde, die mit mir von Meer zu Meer
gestürmt, ergriffen, was uns Glück verhieß
und wussten nicht, wo kommt es her, woher?
Besonnenheit war unsre Stärke nicht.
Begeisterung schlug die Erfahrung aus.
Sie unterordnete sich keiner Pflicht,
und leben hieß für uns: Hinaus, hinaus!
Gewitter gibt’s im Mai auch hier im Land,
den Duft der Felder in der Erntezeit
und manche freundlich ausgestreckte Hand,
die helfen will, zu lindern Leid um Leid.
Ich habe eine Wohnung, Mann und Kind
und liege dennoch in den Nächten wach,
lausch deutschen Birken bis zum Morgenwind,
die ukrainisch singen, ach, ach, ach!
MEINE ENKELIN
Für Olivia
Sie runzelt ihre Stirn schon wie die Alten.
Die Fädchenbrauen machen steile Fältchen,
doch ihre Hand versteckt sie in der meinen.
Ich spüre ihren Herzschlag in den feinen
Verzweigten Äderchen, in denen sich
Das russisch-deutsche Blut der Eltern mischt.
Und ich umarm das warme Krümchen Leben,
als könnte es mir irgendjemand nehmen –
wie Wind dem Nussbaum Blatt um Blatt entreißt –
dich, meiner tief geliebten Tochter Kind,
das nichts von unsren Schicksalswegen weiß,
in dem wir hoffnungsvoll verbunden sind.
DIE DREI WINTERGEDICHTE
1.
Was für ein langer harter Winter!
Als will die Welt in ihm versinken.
Ich mag das Weiß nicht mehr ertragen,
hat alle Farben schon zerschlagen.
Die Dämmerung besitzt kein Ende.
Mit Salz bestreut hab ich die Pfade,
und wieder schmerzen meine Hände,
von Kältewunden überladen.
Ich hör den wilden Schrei der Krähe.
Ruft sie den Tod, ruft sie das Leben?
Vielleicht ist sie der Trost, ist Nähe,
will mir die Hoffnung wiedergeben?
2.
Schwach bin ich, wenn die Sonne fehlt,
wenn mich ein schwerer Winter quält,
mit Sturm und Eis und Dauerfrost
gleichgültig und erbarmungslos.
Verfall, Verlust an Lebenssinn
ergeben sich vor allem dann,
wenn ich zu zweit noch einsam bin,
Zuneigung nicht mehr finden kann.
3.
Nehm‘ zwei Tabletten Baldrian
und gehe ohne Lust spazieren.
Ich komme bei der Weide an,
wo Fluss und Zweige sich berühren.
Dort sitzt ein Starr auf Notenzeilen
der Leitungsdrähte, pfeift ein Lied,
das immer neues Liebeslied…
Nun wird der Frühling nicht mehr weilen.
Die Erwartung des Frühlings
(Zwei Gedichten)
29. Februar
Der Winter hat sich fürchterlich besoffen.
Nun rutscht er, fällt er und muss Wasser lassen.
Sein Saufkumpan, der Nebel, fort gekrochen ,
ist nimmermehr von jemandem zu fassen.
Die Vögel sitzen auf den kahlen Zweigen.
Auch wenn sie wie Mimosen sich verschließen,
wird Winters Ende nie sich anders zeigen
als lange Weil mit elend nassen Füßen.
1.März - Montag
Kein langes Warten bis zum Montag hin.
Wie ein gefrorenes Kalenderblatt
schwebt Februar, als wär’s des Lebens Sinn,
zum März hinüber, der schon Pfützen hat.
Kein langes Warten bis zum Montag mehr.
Der Februar weint. Doch meine Phantasie-
frei und vom Nichtstun länger nicht beschwert –
fliegt mit mir in das Land der Poesie.
***
Nur Wind und Wind und immer wieder Wind.
Er reißt und zerrt barbarisch an den Zweigen.
Posaunt im März bis ihm die Luft ausbleibt,
als wär der Frühlingsanfang stets sein Eigen.
Ich weiß nicht, was ihn derart drängt und treibt.
Will er mir etwa seine Kräfte zeigen,
mich retten aus dem winterlichen Schweigen?
Ach Wind, du Wind, du wechselhaftes Kind!
AUS DEM SONETTESKRANZ
„WO FLIEGST DU HIN, MEIN AHORNBLATT“
Das neunte Sonett
Der Wind rauscht in den Rüschen der Girlanden.
Die Zweige peitscht er, bis sie zitternd tanzen –
wie die Elevinnen, auf bloßen Füssen
Ballet auf Straßen, um den Herbst zu grüßen.
Vom Strauß aus dunkelroten Ahornblättern
schwingt sich bis hoch zur Rathauskuppe Licht
und zeigt des Atlas‘ schmerzliches Gesicht.
Er trägt die Welt und wünscht sich Sommerwetter.
Im Gegensatz zu Feder, Stift und Pinsel,
die wie von Sinnen ausgelassen sind.
Sie malen selbst das kleinste Farbgerinnsel.
Doch wer von ihnen wird die Seele finden,
wer glaubt allein dem flatterhaften Wind?
Und wem wird das Talent die Krone binden?
Das fünfzehnte Sonett
Mein Ahornblatt! Wo fliegst du hin?
Lockt dich das Foto-Objektiv,
das dir verspricht als Herbstmotiv
zu bleiben? Ach, du Fatalist!
Flieg doch lieber mit dem Wind
und blende uns mit deinen Farben
aus Himbeern, Honig, Weizengarben
wie unsre Tage manchmal sind,
bald bunt, bald grau, bald voller Lieder,
die uns ein Musikertalent,
das deinen Farbenreichtum kennt,
anrührend spielt, dann kannst du wider
und wieder, auch in trüben Zeiten,
uns wie ein Heimatstern begleitet.
(Nachdichtung Walter Flegel)
REGEN IN PARIS
An meinen Bruder
Der Regen
beleckte Brüstungen von Balkonen,
war ein Joch, bog Rücken krumm
wirbelte zur Tscheschotka herum
den Tanz, auf dem Kapuzinow-Boulvard
Lauter einmal, mal dumpf sein Schlagen
und wenn Katzen Mäuse jagen
so bäumte der Wind die Pfützen, blies
sie zu Purzelbäumen, hindurch durch Paris
Im Wahnsinn der Regen, schon Sturm
warf er um sich mit Beute
drehte Stühle herum
zerstörte Cafes für die Leute
zerriss, wie ein Rosenkranz
den Cappuchino zu Tropfen, war
eine Tscheschotka der Regen, Tanz
auf dem Kapuzinow-Boulvard
Unvernünftig, Prahlen, sein Gehabe
er peitschte das Trottoir
eilte zur Kreuzung im Trabe
zum italienischen Boulvard
trommelte ohne Pause, kannte nicht Halt
fordernd das Recht erster Nacht, wie es einst galt
und so noch der Pariser Platanen harrt
zu schluchzen nach der Odessaer Art
Sie schrien, sie hatten geweint
doch er, ganz mit seiner neuen Rolle vereint
sachter, traurig, mit Traurigkeit voll
beschlich mich und von Schmerzen toll
trieb er Tränen edelsteingroß
aus durchscheinenden Tuch um den Schoß …
Mein Wanderartist, ich bang
nicht süß ist dein Leben, nicht lang.
(Nachdichtung Jürgen Polinske)
WAS HEISST SCHON GLÜCK IM MENSCHENLEBEN
Was heißt schon Glück im Menschenleben?
Nur ein Märchen? Nur ein Traum?
Leidenschaft und Hochgefühle?
Bare Münze, warme Milch mit Schaum?
Ist es Suche nach der Ruhe?
Zweisamkeit in der nichts reibt?
Deine Hand und Nähe, Mutter,
Die den bösen Fluch vertreibt?
Ist es gar der Stein der Weisen,
Licht, das in der Ferne glimmt?
Glück ist ein Moment im Leben.
Letztlich. Endlich. Jetzt. Bestimmt.
(Nachdichtung Maik Altenburg)
© Natalia Gorbatyuk