ARDEN - ARDEN

Agnes & Edith-Esther Arden

Das Wort eines Schriftstellers

Ein plastisches Kunstwerk ist das Ergebnis der Arbeit eines Menschen, gleichzeitig bewusst und unbewusst.
Es ist Ergebnis der Arbeit einer eigenartigen Alchimie, die sowohl technische Fähigkeiten des Künstlers einschließt, als auch den Zeitgeist in dem er  lebt, sein Umfeld, seine Familie, die Welt, in der er sich wiederfindet und in die er sich einfügt.
Er unterwirft sich dem Schock  der äußeren Ereignisse und das Werk spiegelt das wieder.

Zwei deutschstämmige Schwestern, Agnes und Edith Arden, zog das Mittelmeer in ihren Bann. Sie ließen sich in Nizza nieder. Sie hatten ihr  Werkzeug mitgebracht und begannen zu arbeiten.

Das Ergebnis ist beeindruckend. Ist es Malerei? Ist es Bildhauerei? Wohl beides. Auf das groß angelegte Gemälde besticht ein gemalter Hintergrund und urplötzlich wird alles zur Skulptur. All das richtet sich auf den Betrachter. Es ist ein Aufleuchten von Personen und Symbolen.

Agnes und Edith Arden sind Künstler ihrer Zeit. Sie sind in einer wilden Welt geboren, aber sie haben sich die Liebe und Achtung gegenüber der Menschlichkeit bewahrt. Ihr Werk ist letztendlich eine Hymne an die Menschheit.

Was gibt es noch zu erwähnen? Zweifellos dies: Agnes und Edith Arden werden einen wichtigen Platz in der künstlerischen Epoche dieses Jahrhunderts einnehmen.

Paris, 1988

Yves Béon
Schriftsteller
Überlebender von Buchenwald und Dora 

 


Endloses Leiden

Wenn ich an unseren Großvater mütterlicherseits denke, muss ich immer wieder mit viel Liebe und Dankbarkeit an diesen schicksalhaften Tag denken, an dem ich als kleines Mädchen mit dem herzzerreißenden Begriff “Endloses Leiden“ zum ersten Mal konfrontiert wurde… 
Im Leben kommen oft  Ereignisse vor, welche wir am liebsten gleich wieder vergessen würden, oder, wenn wir mal etwas gesagt haben und später darüber nachdenken, zu dem Schluss kommen, dass wir doch besser geschwiegen hätten und ob das überhaupt nötig gewesen sei, denn ungesagt wäre viel Unangenehmes wahrscheinlich einfach erspart geblieben!
Aber nein!  Heute sehe ich ein, dass all‘ unsere Worte – sogar die ungewollt ausgesprochenen, oder Taten, von denen wir vorher nicht ahnen konnten, wozu sie dienen sollten, im Leben einen Zweck erfüllt haben und einen tiefen Sinn hatten. Gottes Wege sind für uns manchmal recht unbegreiflich, aber  doch sinnvoll und wunderbar!
So schicksalhaft war auch meine naive Bemerkung an jenem Osterfeiertag, als ich mit Großvater aus der Kirche nach Hause ging. Der Weg an der   Kirche entlang war mit breiten, unförmigen Naturstein-Kolossen belegt, unter dem das Regenwasser in dieser einfachen Weise kanalisiert wurde. Großvater warnte mich sehr besorgt, die breiten Spalten zwischen den großen Steinen lieber zu überspringen, bevor mein kleiner Kinderfuß noch zufällig hineinrutschen könnte....                 
In meinem Kopf kreisten noch die Gedanken über die Themen der Ostermesse und höchstwahrscheinlich konnte ich deswegen diesen schon hundertmal bereuten Fehltritt nicht vermeiden -  der sich aus der Phantasie eines kleinen, unschuldigen Mädchens ergab und einfach meinen Lippen  entsprang:
„Großvater, diese Steine wurden doch von den Juden verlegt, damit der kleine Jesus, wenn er aus der Kirche kommt, sich  seine Füße bricht…“
Mein Großvater,  den jeder im Dorf nicht nur als einen „außerordentlich schönen und gütigen Menschen“  sondern auch als einen sehr feinsinnigen und höflichen Menschen beschrieb, war plötzlich aus der Fassung geraten. Dieser riesige, immer geduldige, starke  Mann, unser liebenswürdiger Großvater, der abends mit uns täglich so friedlich und liebevoll zusammen betete, geriet jetzt plötzlich richtig in  Wut, er hob mich  in die Höhe und dort schüttelte er mich dabei kräftig, um seinen Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen, dabei starrten mich seine großen braunen Augen so zornig an, dass ich  auch ohne Worte plötzlich alles verstand,  wobei ich den quälenden Schmerz einer verbrecherischen Ungerechtigkeit zu spüren bekam.   Bis heute kann ich es vor mir sehen, wie er seinen Blick langsam hoch über mich in den Himmel richtete, und von Schmerzen erschüttert brüllte er leidenschaftlich auf: 
“Wann hört das endlose Leiden doch endlich einmal  auf!!?“                                                                
Von  diesem Moment an hatte ich das Gefühl, dieses unendliche Leid des jüdischen Volkes plötzlich in mir selbst zu tragen …                                  

Dann schloss er mich in die Arme und setzte mich auf die Mauerkante  und fing an,  mir zu erklären, dass auch Jesus als Jude geboren wurde, und noch dazu vom großen König David abstammte, auch er wurde beschnitten und im Sinne der  jüdischen Religion erzogen…               
Ich vergesse nie, wie liebevoll er mir zu erklären versuchte, den Mitmenschen immer Respekt und Toleranz  zu erweisen. Er verlangte ehrlichen Respekt vor  jedem Titel und jedem Rang, denn dadurch würden menschliche Leistungen anerkannt. “Jeder von uns kann das erwerben, wir müssen also diese Menschen respektieren, weil sie dafür anerkannt und ausgezeichnet wurden. Einer durch sein Studium von der Universität, ein Adeliger zum Beispiel konnte wegen seiner großen Taten vom König ausgezeichnet werden.   Auch das jüdische Volk bekam eine hohe Auszeichnung,   die aber nicht von einem König, sondern sie wurde von Gott selbst verliehen, denn Gott hat das jüdische Volk ausgezeichnet, in dem Er versprach, den Messias, den Erlöser von ihm auszuwählen. Wenn wir also jeden Ausgezeichneten anerkennen und respektieren, um wie viel mehr müssen wir Gottes Erwählten akzeptieren!“ 
Dann hob Großvater einige Steine vom Boden auf und fing an, mit meiner Hilfe ein Haus zu bauen. Er bezeichnete das Fundament als „Bibel“-  die uns die Geschichte vom Judentum erzählt.  Er meinte, anhand des Baues könnte ich mir das „Alte Testament“  bildlich besser vorstellen. (Natürlich kannte ich bereits schon die Geschichte von den Brüdern Kain und Abel, sowie über das Rote Meer, über den Korb von Moses, seine Brüder und die Gebote).                                                                                                     

Dann legte er mir kleinere Steine in die Hand und sagte, dass ich ein Stockwerk darüber  bauen sollte, was wir dann als „Neues Testament“ bezeichnen können. Das ist die Geschichte von Jesus, die ich schon kannte und lieben lernte. Auch an seine Wundertaten erinnerte er mich und so setzten wir einfach die kleinen Steine passend zu den schon erwähnten unteren, großen Steinen, die mir plötzlich einen faszinierenden Überblick über Zusammenhänge verschafften.  Es war ein märchenhaftes, aufregendes Spiel mit der wahren Geschichte!  Dann aber stieß der Großvater mit einer raschen Bewegung die unteren, großen Steine heraus und bat mich, ohne die großen, nur die kleinen Steine einfach so in der Luft aufzubauen. Ich war fassungslos, fast verärgert und sagte ihm, dass das ohne die Grundsteine einfach unmöglich sei!
Dann lächelte er  mich gütig an und sagte: 
„Siehst du, so einfach ist es! Demnach könnt ihr nicht sagen, dass wir Jesus alleine, ohne die Juden lieben sollten, denn man kann das eine nicht tun, ohne den anderen zu respektieren.   Sonst könnten  die verstorbene Seelen es noch zu spüren bekommen, die Ahnen und die vielen unschuldigen Opfer, deren Seelen über eine immer wiederkehrende Ungerechtigkeit keine Ruhe mehr finden könnten,  denn der tiefe Schmerz vom ewigen Leid würde sogar die Grabsteine aufreißen, und die Seelen kämen heraus, um traurig über die Geschehnisse zu weinen … 
Also macht es  genauso -  wie  in unserer Bibel das Alte Testament schön mit dem Neuen Testament verbunden wurde, so sollt ihr in eurem Herzen mit dem Judentum in Liebe und in Respekt verbunden sein.“

Agnes Arden


 
 
   

 


 

DER KOMPONIST SERGEJ KOLMANOVSKIJ

    STELLT SEIN DEM GEDENKEN AN REICHSKRISTALLNACHT GEWIDMETES ORATORIUM „TRAUERGESÄNGE“ VOR. DIE TEXTE SIND VOM ÖSTERREICHISCHEN DICHTER PETER PAUL WIPLINGER.

    www.besucherzaehler-homepage.de